Der Baum,
Er erinnerte sich noch an sein erstes Erwachen, an den süßen Geschmack des Blutes, das über seinen Wurzeln vergossen wurde, und an die Kraft die er aus diesem Blut zog. Der süße Geschmack, zusammen mit der Todesangst des Mannes, der über seinen Wurzeln hingerichtet wurde, weckte ihn aus seinem angenehmen dahinleben. Dieser Geschmack und die starken Gefühle, die er ebenfalls in sich aufsog, machten es ihm unmöglich weiterhin nur von Licht und Wasser zu leben, er brauchte Blut, er brauchte Angst und Schmerz um stärker zu werden, um wieder diese überwältigende Gefühl von Macht zu spüren.
Zu Anfang gab es keinen Mangel an der Nahrung die er so sehr begehrte, immer wieder wurden Menschen zu seinen Füssen Hingerichtet, oder an seinen Ästen aufgehängt, vage begriff er das die Menschen bestraft wurden, den er konnte die straken Gefühle der Zuschauer wahrnehmen, die Genugtuung, den Hass und gelegentlich auch den Schmerz der Angehörigen, aber nichts davon ließ sich mit der Angst der Hingerichteten vergleichen.
Jahrzehnte, Jahrhunderte wurde er so genährt, es gab so viel Nahrung das er sogar Ableger an den Enden seiner Wurzeln hervorbringen konnte, so dass bald ein kleiner Hain, seiner Art, die Hinrichtungsstätte umgab. Es waren gute Zeiten, in denen kaum ein Mond verging ohne dass er, und die seinen, mit Blut und Angst genährt wurden. Und er veränderte sich immer weiter, es gelang ihm seine Äste und Wurzeln willentlich zu bewegen, so dass er auch den Gehängten das Blut aussaugen konnte, oder Aasfresser, die des nachts kamen um sich an den Leichen gütlich zu tun, einzufangen und Auszusaugen.
Aber die Zeiten des Überflusses vergingen, immer seltener wurden Menschen zu seinen Füssen gerichtet, immer seltener kam er in den Genuss ihres süßen Blutes und ihrer köstlichen Angst, und schließlich hörte es ganz auf, und die Menschen mieden seinen Standplatz, glaubten an böse Geister und Flüche ohne die wirklich Gefahr zu kennen, die an diesem Platz lauerte. Zwar konnte er immer wieder kleinere Tiere, und die Aasfresser die durch ihre Kadaver angelockt wurden, fangen und aussaugen. Aber das war nur karge Kost, ihrem Blut fehlte die Süße, ihre Angst war fade ohne Geschmack, er hungerte nach Menschen, aber sie kamen nicht, der Wald um ihn wuchs, zu seiner Wut nur aus normalen schwachen Bäumen, da es an Blut fehlte um weitere seiner Art hervorzubringen.
Er war nun schon Jahre ohne ein wirkliche Opfer, selbst die Waldtiere hatten gelernt ihn zu meiden, er war schon fast wieder eingeschlafen, lebte wie die anderen Bäume von Licht und Wasser, als er Menschen spürte. Zwei Menschen waren in seiner Nähe, und die Gefühle von Trauer und Schmerz die von ihnen ausgingen reichten um ihn wieder aus seinem Dämmerschlaf zu wecken.
Er verstand nicht woher der Schmerz der beiden kam, und es war ihm auch egal, er spürte nur die Mischung aus Trauer, Schmerz und Angst die die Beiden umgab, langsam lockte er die beiden in seine Nähe befahl seinen Abkömmlingen einen Weg zu ihm zu öffnen und alle anderen Wege zu schließen, denn viele der Bäume stammten von ihm, wenn sie auch nicht wie er waren, so hatte er doch Gewalt über sie. Als die verwirrten Menschen zu seinen Füssen standen, streckte er die Wurzeln nach ihnen aus, vorsichtig schlang er sie um ihre Füße und Beine, so das es zu spät war, als sie es bemerkten.
Die Angst der beiden war köstlich, so lange war er nicht in diesen Genuss gekommen, sie schrien und wehrten sich, gegen seine immer fester werdende Umklammerung, und sie steigerte sich sogar noch als sich seine Äste durch ihre Haut bohrten um das süße Blut zu saugen, eine lange vermisste Kraft strömte durch ihn, genug um seine Wurzeln weiter zu strecken, sich mit anderen Bäumen, bis hin zum Rand des Waldes zu verbinden, und sie unter seine Herrschaft zu zwingen, er würde nicht mehr hungern, das schwor er sich.
Und so begann er Menschen nach Menschen zu fühlen, die an dem Wald vorbeikamen, viele von ihnen waren voller Schmerz, Trauer und Angst, und wenn er auch nicht wusste warum das so war, begriff er doch das die Menschen, wenn er sachte diese Gefühle verstärkte, in den Wald gingen, und viele von ihnen selbst ihrem Leben ein Ende setzten, er musste nur darauf achten das es an stellen geschah, an denen seine, oder dir Wurzeln seiner Abkömmlinge lagen, aber das war leicht.
Es war auch nicht schwer einzelne Menschen direkt in seine Umarmung zu locken, so dass er nicht nur ihr Blut, sondern auch ihre Angst genießen durfte, denn auch wenn sie den Tod wünschten, in seiner Umarmung wurden sie alle von Todesangst ergriffen, schrien wehrten sich, nur um ihm noch mehr Genuss zu bereiten. Die Zeit des Hungers war vorbei, immer neue Opfer kamen in seine Domäne, viele von ihnen freiwillig. Er wusste nicht warum, denn er verstand die Gefühle der Menschen nicht, verstand nicht ihren Schmerz ihre Angst, er nährte sich nur an ihnen, sie waren nur Beute nicht mehr, er hatte auch keine Augen, er nahm seine Umgebung durch die Vibrationen wahr, die seine Wurzeln leiteten, durch den Geschmack der Erde und durch die Unterschiede in der Temperatur. Er sah nicht die Warnschilder und Hinweisschilder, wusste nicht dass sein Wald längst einen Namen unter den Menschen hatte….
Aokigahara.
By Mike
Sehr schöner Artikel 🙂