Die Schneefrau ゆきおんな (frei nach Lafcadio Hearn)
Vor langer Zeit lebten in der Musashi Präfektur zwei Holzfäller in einem kleinen Bergdorf, der alte Mosaku und sein junger Lehrling Minokichi. Um zu ihrer Arbeitsstätte zu kommen mussten die beiden eine Fähre nehmen die über einen kleinen Fluss führte.
Als sie eines Tages, mitten im Winter, nach ihrem Tagewerk an der Fähre ankamen, war der Fährmann nicht da, und zu allem Unglück hob auch noch ein Schneesturm an, den beiden Männern blieb nichts anderes übrig als in einem kleinen Lagerschuppen am Ufer Schutz zu suchen, in dem Schuppen war es zwar bitterkalt, jedoch waren sie wenigstens vor dem eisigen Wind und dem Schneetreiben geschützt, und nach einiger Zeit schliefen die beiden ein. Mitten in der Nacht erwachte Minokichi, und als er seine müden Augen öffnete bot sich ihm ein Bild das ihn vor entsetzen erstarren lies.
Die Tür der Schuppens stand weit offen und der eisige Wind trieb den Schnee herein, Mosaku lag leblos in einer Ecke des Schuppens, und über ihn gebeugt stand die Schneefrau. Ihre Augen strahlten wie blaues Eis und ihr Atem hüllte Mosaku ein. Dann bemerkte die Schneefrau das der Schreckens starre Minokichi erwacht war und wandte sich ihm zu, stumm starrte sie ihn einige, endlos erscheinende Sekunden an, dann sprach sie: „ eigentlich wollte ich dich genauso töten wie den alten Mann Minokichi, aber du bist noch so jung, ich habe Mitleid mit dir, ich schone dein Leben. Aber erzähle niemandem was du heute gesehen hast, tust du es doch, werde ich es erfahren und dich holen.“ Nach diesen Worten verschwand die Schneefrau einem Windhauch gleich, und Minokichi sackte besinnungslos zusammen, so fand ihn am nächsten Morgen der Fahrmann.
Minokichi war nach dieser schrecklichen Nacht Wochenlang mit Fieber und Schüttelfrost ans Bett gefesselt, erzählte aber niemandem was er gesehen hatte. Da Mosaku schon alt gewesen war, nahmen die Menschen an er wäre während dieser Nacht schlicht durch die klirrende Kälte gestorben. Minokichi ging weiter seiner Arbeit nach und versuchte den Vorfall zu vergessen. Bald zog ein neues Jahr ins Land. Als Minokichi an einem strahlend schönen Tag, zu Beginn des nächsten Winters von der Arbeit nach hause kam, begegnete er einer wunderschönen Frau. Sie trug einen eleganten Reisekimono, hatte lange schwarzglänzende Haare und ihre Haut war so blass, dass sie fast durchsichtig wirkte. Yuki, wie sie sich ihm vorstellte, war auf dem Weg zu Verwandten in der nächsten größeren Stadt, da sie verwaist war, und sonst nirgendwo bleiben konnte.
Minokichi war sofort angetan von Yuki, und er lud sie ein, bei ihm zu übernachten. Da es im Dorf kein Gasthaus gab, und die Nächte schon eisig waren, willigte sie nur allzu gerne ein, und als am nächsten Tag Schnee fiel und eine Weiterreise durch die Berge gefährlich macht, nahm sie Minokichis Angebot, bei ihm unterzukommen bis das Wetter besser würde, gerne an. Denn auch sie hatte offensichtlich gefallen an dem hübschen Minokichi gefunden, und so wurde die Weiterreise immer weiter aufgeschoben. Schließlich bat Minokichi, Yuki seine Frau zu werden, die freudig einwilligte.
Yuki war Minokichi eine gute Ehefrau, auch ihre Schwiegermutter liebte sie und das ganze Dorf bewunderte sie für ihre Schönheit, die auch durch das harte leben in einem Bergdorf keinen Schaden nahm. Selbst nachdem sie zehn Kinder bekommen hatte war Yuki unverändert wunderschön, und scheinbar keinen Tag gealtert.
Eines abends im Winter geschah es dann, dass Minokichi Yuki bewundernd ansah und ihr sagte das sie, mit ihrer blassen Haut und dem weißen Kimono, den sie an diesem Tag trug, ihn an die Schneefrau erinnerte die er vor Jahren gesehen hatte. Nach diesen Worten fuhr Yuki zornig herum und schien zu wachsen, drohend stand sie vor ihm und mit eisiger Stimme schrie sie ihn an: „ Das bin ich gewesen, und du hast dein Versprechen gebrochen. Wenn nicht unsere Kinder wären, ich schwöre die, würde ich dich auf der Stelle töten, doch um ihretwillen schone ich dein Leben. Aber solltest due je grausam oder ungerecht behandeln, so wirst du es bereuen.“
Nach diesen Worten verschwand Yuki, einem eisigen Windhauch gleich, durch den Kamin und lies den fassungslosen Minokichi alleine zurück. Er kümmerte sich gut um seine Kinder denn mit ihrer blassen Haut erinnerten sie ihn an Yuki, die er nie mehr wiedersah.
Diese Geschichte hat mich schon immer fasziniert, auch scheint sie mir eher tragisch als gruselig. Denn ich denke die Leidtragende ist hier die Schneefrau. Ich denke das sie von Anfang an in Minokichi verliebt war, und das sie seinetwegen in dem Lagerschuppen war. Gut möglich das der alte Mosaku einfach erfroren war und Minokichi was er beim Aufwachen sah falsch interpretierte. Außerdem, glaubt ihr wirklich das sie zehn Jahre seine Frau war, nur um ihn zu überwachen?
Das halte ich für eher unwahrscheinlich, ich denke das selbst die Drohung schon so geplant war. Damit sie ihren Mann verlassen kann, und das ganze möglichst kurz und schmerzlos. Denn sie wäre früher oder später aufgeflogen, anfangs haben sie die Dorfbewohner für ihr nicht altern bewundert, doch das wäre sicher irgendwann in Misstrauen schlimmeres um geschwungen. So konnte sie ihren Mann und die Kinder schützen.
Wie ich schon sagte, eine doch eher traurig, tragische Geschichte, eigentlich typisch für Japan, traurig aber irgendwie schön.
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